Auf den Spuren des Okapi - Literatur im Gespräch
Der Literaturgesprächskreis trifft sich am Donnerstag, den 5. Mai (ursprünglich für 21. April angekündigt) ab 20.00 Uhr in den Räumen der Bücherei Niederbrechen zum Austausch über Mariana Lekys etwas anderen Heimatroman: “Was man von hier aus sehen kann“. Der Titel ist als konventionelles Buch sowie im Rahmen der Onleihe als eBook und eAudio ausleihbar.
Es war einmal ein kleines Dorf im Westerwald, dort lebten Selma und Luise. So könnte diese Geschichte eigentlich anfangen. Denn viele Motive aus Mariana Lekys neuem Roman „Was man von hier aus sehen kann“ passen ebenso gut ins Märchen. Zum Beispiel: Immer wenn Selma von einem Okapi träumt, stirbt innerhalb der nächsten 24 Stunden eine Person aus dem Dorf. Märchenhaft, beinahe allegorisch sind auch Lekys Romanfiguren gezeichnet – aus wenigen und eindeutigen Charaktereigenschaften.
Da haben wir Selma, die gute alte Großmutter. In Selmas windschiefem Häuschen am Waldrand sitzt jeder gern am Küchentisch, Selma werden wichtige Briefe zur Durchsicht vorgelegt und Selma hat in jeder Situation einen Ratschlag parat. Selmas heimlicher Verehrer ist Dietrich Hanberg, von allen nur „der Optiker“ genannt. Als zeitlebens unterschätzte und dabei doch gescheite und gebildete Figur traut sich der Optiker einfach nicht, der resoluten Witwe seine Gefühle zu gestehen. Dabei weiß die ganze Dorfgemeinschaft längst, woher der Wind weht. Die abergläubische Elsbeth weiß es, die mürrische Marlies und sogar Palm, der böse Jäger und Säufer, weiß um die verstohlene Schwärmerei des Optikers.
Der Leser lernt all diese skurrilen Gestalten durch die Augen der Ich-Erzählerin Luise kennen. Luise ist Selmas Enkelin. Sie erzählt den Roman aus einer übergeordneten und allwissenden Perspektive in drei Teilen. Im ersten Teil, Anfang der 1980er, ist Luise zehn Jahre alt. Im zweiten Teil des Romans absolviert die 22jährige Luise eine Ausbildung zur Buchhändlerin. Im dritten Teil ist Luise Anfang 30. Während der gesamten Zeit verlässt Luise das kleine Dorf im Westerwald nur für kurze Ausflüge in die nahegelegene Kreisstadt. Überhaupt verlässt niemand gern das Dorf, vor allem nicht, um in die große weite Welt aufzubrechen. Wer sich der Welt stellt, scheint verrückt zu sein -oder zumindest verantwortungslos wie Louises Vater. Der bereist schmerzgetrieben und geradezu hysterisch alle Kontinente dieser Erde, nur um immer wieder kein bisschen weiser ins Dorf zurückzukehren.
Natürlich passieren selbst in einem wunderschönen Dorf manchmal hässliche Dinge. Menschen sterben. Ehen zerbrechen. Mariana Leky erzählt durchaus von großen, existenziellen Themen, vom Tod und von der Liebe. Aber dies im Rahmen eines kleinen, fürsorglichen Dorfes im Westerwald.
Die Teilnehmer des Literaturgesprächskreises treffen sich ca. alle sechs bis sieben Wochen, um sich über das gelesene Werk auszutauschen, die Vorschläge stammen aus dem Kreis der Teilnehmer. Jeder, der für Literatur aufgeschlossen ist, ist als Bereicherung stets willkommen.
Von Jürgen Schühler