In den Wirren des Krieges - Literatur im Gespräch
Der Literaturgesprächskreis trifft sich am Donnerstag, den 10. März ab 20:00 Uhr in den Räumen der Bücherei Niederbrechen zum Austausch über Anthony Doerrs preisgekrönten Roman: “Alles Licht, das wir nicht sehen.“
Er erzählt die Geschichte eines blinden französischen Mädchens und eines deutschen Jungen, deren Wege sich in den Wirren des Zweiten Weltkriegs kreuzen. Die Haupthandlung spielt im August 1944 in der von den Amerikanern belagerten nordfranzösischen Stadt Saint-Malo. In regelmäßigen Rückblenden wird die Geschichte der beiden Charaktere gezeichnet.
Paris, 1934: Marie-Laure LeBlanc ist die Tochter des verwitweten Museumsschlossers des Naturkundemuseums und begleitet diesen häufig zu seiner Arbeit. Marie-Laure leidet unter einem schnell fortschreitenden Verlust ihres Augenlichtes und erblindet im Alter von sechs Jahren vollständig. Um ihr Leben zu bereichern, stellt ihr Vater ein maßstabsgetreues Holzmodell ihrer Pariser Nachbarschaft her, das Marie-Laure durch Ertasten auswendig lernt. M. LeBlanc verbringt Stunden damit, seine Tochter zu unterschiedlichen Orten der Nachbarschaft zu führen und sie von dort nach Hause finden zu lassen. Zu ihren Geburtstagen schenkt er ihr handgefertigte Geduldsspiel-Schachteln, die nach einer raffinierten Abfolge von Schritten geöffnet werden können. Ihr Vater besorgt ihr Romane in Brailleschrift. Hingerissen ist Marie-Laure insbesondere von den Erzählungen in ihrer Ausgabe von Jules Vernes 20.000 Meilen unter dem Meer.
Im Pariser Museum geht das Gerücht um, das Haus plane, „Das Meer der Flammen“ auszustellen. Um diesen unermesslich wertvollen blauen Diamanten rankt sich jedoch eine Legende: Ein Fluch läge auf dem Juwel, wonach jeder Besitzer unsterblich werde, aber seine Geliebten nicht endendes Unglück erführen.
Zeitgleich in Deutschland: Werner Hausner wächst mit seiner Schwester in einem Waisenhaus auf dem Gelände der Zeche Zollverein auf. Die Leiterin Frau Elena, eine protestantische Nonne aus dem Elsass, bringt den Kindern mit Volksliedern und Geschichten Französisch bei. Werner findet ein defektes Kurzwellenradio, das er repariert und entdeckt dabei sein Naturtalent für elektrische Schaltungen. Werner und seine Schwester hören eine Vielzahl an Radioprogrammen, begeistern sich aber besonders für eine Wissenschaftssendung, die regelmäßig aus Frankreich gesendet wird und speziell für Kinder konzipiert ist.
Mit dem Einfall der Nationalsozialisten in Frankreich begeben sich Marie-Laure und ihr Vater 1940 von Paris nach Saint-Malo, um bei ihrem Großonkel Etienne Zuflucht zu finden. Etienne, der an einer Kriegsneurose aus dem Ersten Weltkrieg leidet, verbringt sein Leben zurückgezogen und verlässt nie sein Haus. Er zeigt Marie-Laure eine unter dem Dach versteckte Radiostation, mit der er und sein Bruder Henri die Kindersendung, die Werner und Jutta gerne hörten, in den Äther sandten. Unbekannt für Marie-Laure wurde ihrem Vater „Das Meer der Flammen“ oder eine von drei exakten Kopien anvertraut, um sie vor den Deutschen zu beschützen. Der Träger wurde darüber im Unwissen gelassen, ob er den wahren Diamanten oder eine wertlose Kopie mit sich trägt. Marie-Laures Vater verbirgt seinen Diamanten in einer hölzernen Miniatur von Etiennes Haus, das Teil eines Modells der Stadt Saint-Malo ist, das er für Marie-Laure anfertigt.
Der Vater wird von den Deutschen festgenommen, nachdem er beim Vermessen und Zeichnen der Stadt beobachtet wurde. Unter dem Verdacht auf Spionage wird er in einem Gefangenenlager festgehalten und seine Tochter bleibt alleine bei Etienne und seiner Haushälterin Madame Manec.
Reinhold von Rumpel, Fachmann für Edelsteine, wird auf „Das Meer der Flammen“ angesetzt. Der an einem Tumor Leidende wird von der Legende über die Unsterblichkeit befeuert und kann den Aufbewahrungsort aller vier Juwelen ausfindig machen. Nachdem er drei Kopien identifiziert hat, begibt er sich nach Saint-Malo, wo er den wahren Diamanten ahnt.
In der Zwischenzeit beteiligt sich Madame Manec mit weiteren Nachbarinnen an der Résistance. Als sie erkrankt und später stirbt, übernimmt Marie-Laure einen täglichen Gang zur Bäckerei, wo sie ein Brot erhält, in dem Notizen versteckt sind. Etienne reaktiviert seinen Radiosender und sendet die erhaltenen Informationen.
Werners technische Begabung verschafft ihm einen Platz in einem nationalsozialistischen Begabtenprogramm. Er durchsteht die Drangsalierungen und den militärischen Drill an der Nationalpolitischen Erziehungsanstalt. Einer seiner Lehrer, Professor Hauptmann, ist von Werners überdurchschnittlichen akademischen Leistungen angetan und fördert ihn über den Unterricht hinaus. Werner hilft ihm bei der Entwicklung eines Systems zur Lokalisation illegaler Radiostationen. Hauptmann fädelt Werners Versetzung zur Wehrmacht ein, wo er hilft, illegale Partisanen-Sender aufzuspüren. In Wien macht er einen Fehler bei der Identifizierung einer Radioantenne, was zur Tötung eines jungen Mädchens führt und ihn einmal mehr an seinem Tun zweifeln lässt.
Im August 1944 kreuzen sich Marie-Laures und Werners Wege. Werner wird für die nächtlichen Übertragungen Etiennes nach Saint-Malo bestellt. Er erkennt, dass Etienne für die Kindersendungen verantwortlich ist, die er sich früher mit seiner Schwester angehört hatte. Werner kann das Haus aufspüren, verheimlicht dies jedoch vor seinen Kameraden. Marie-Laure, die inzwischen den Diamanten in ihrem Holzmodell gefunden hat, versteckt sich vor von Rumpel. Werner gelingt es, sie vor ihm zu retten und er bringt sie in Sicherheit. In dieser kurzen Zeit der Begegnung empfinden beide eine starke Bindung. Kurz vor ihrem Abschied lässt Marie-Laure das Holzhaus, in dem der Diamant versteckt ist, in einer Grotte unter der Stadtmauer in die Flut des Ozeans gleiten. Werner wird von Résistance-Kämpfern aufgegriffen und an amerikanische Beamte übergeben.und stirbt später durch eine Landmine.
1974, 30 Jahre später, erhält Jutta Informationen über Werners Tod. Ihr wird das Holzmodell des Hauses übergeben, das bei Werner gefunden wurde. Jutta reist mit ihrem Sohn Max nach Frankreich und trifft sich mit Marie-Laure, die nun als Wissenschaftlerin im Naturkundemuseum arbeitet. Marie-Laure muss erfahren, dass das Holzmodell bei Werner war, als dieser starb und nun den Schlüssel zur Grotte enthält. Die Geschichte endet im Jahr 2014: Marie-Laure spaziert mit ihrem Enkel durch die Straßen von Paris.
Die Teilnehmer des Literaturgesprächskreises treffen sich ca. alle sechs bis sieben Wochen, um sich über das gelesene Werk auszutauschen, die Vorschläge stammen aus dem Kreis der Teilnehmer. Jeder, der für Literatur aufgeschlossen ist, ist als Bereicherung stets willkommen.
Von Jürgen Schühler