Literatur im Gespräch – Die Judenbuche
Der Literaturgesprächskreis trifft sich am Dienstag, den 20. Juni 2023 ab 19.30 Uhr, in den Räumen der Bücherei zum Austausch über Annette von Droste-Hülshoffs Novelle „Die Judenbuche“. Die Schriftstellerin stammt aus einem der ältesten Adelsgeschlechter Westfalens und lebte von 1797 bis 1848 auf der Wasserburg Hülshoff in der Nähe von Münster.
Friedrich Mergels Werdegang scheint schon vor seiner Geburt festzustehen: In seiner Familie herrschen „viel Unordnung und böse Wirtschaft“. Seine Mutter Margreth hat spät geheiratet, weniger aus Liebe, sondern aus Pflichtbewusstsein.Sein Vater Hermann Mergel, ein starker Alkoholiker, nahm Margreth Semmler zur Frau, nachdem ihm seine erste Braut in der Hochzeitsnacht davongelaufen und später gestorben war. Auch Margreth hat unter seinen allwöchentlichen Trinkgelagen und anschließenden Handgreiflichkeiten zu leiden, obwohl sie dies vor der Dorfgemeinschaft zu verbergen versucht.
Als Friedrich neun Jahre alt ist, kommt sein Vater in einer stürmischen Winternacht ums Leben, als er betrunken im Wald einschläft und erfriert. Dadurch sinkt Friedrichs geringes soziales Ansehen im Dorf noch tiefer. Er hütet fortan die Kühe. Wenige Jahre später adoptiert ihn sein Onkel Simon, stellt ihn bei sich ein und verhilft ihm zu etwas Geld und Ansehen. Friedrich macht Bekanntschaft mit dem Schweinehirten Johannes Niemand, einem möglicherweise unehelichen Sohn Simons und verängstigten Jungen, der Friedrich äußerlich auffallend ähnlich sieht und den dieser, selbstbewusst geworden, bald wie seinen Diener behandelt.
Holzdiebstähle durch die sogenannten Blaukittel nehmen immer mehr zu. Daher verstärken die Förster ihre Kontrollen, können aber die Diebe nicht auf frischer Tat ertappen. Als dies eines Nachts dem Oberförster Brandis zu gelingen scheint, wird er von den Blaukitteln mit einer Axt erschlagen. Friedrich fühlt sich, obwohl er in der Untersuchung durch den Amtsschreiber ein einwandfreies Alibi nachweisen kann, mitschuldig an Brandis’ Tod, hat er doch in jener Nacht Schmiere gestanden, die Blaukittel durch einen Pfiff vor der Ankunft des Försters gewarnt und diesen dann in einen Hinterhalt geschickt.
Im Oktober 1760 wird Friedrich auf einer Hochzeitsfeier von dem Juden Aaron bloßgestellt, der ihn lauthals „vor allen Leuten um den Betrag von zehn Talern für eine schon um Ostern gelieferte Uhr“ mahnt. Aarons Leiche wird wenig später im Brederwald unter einer Buche aufgefunden. Sofort gerät Friedrich in Verdacht. Als man sein Haus umzingelt, um ihn festzunehmen, ist er zusammen mit Johannes Niemand bereits entflohen. Der Verdacht wird später zwar durch das Geständnis eines Dritten entkräftet, es bleibt jedoch ungeklärt, ob sich dessen Aussage tatsächlich auf den Mord an Aaron bezieht. Friedrich und Johannes bleiben verschwunden.
Eine Delegation der Juden der Gegend kauft die Buche, unter der Aaron gefunden wurde, und ritzt mit hebräischen Schriftzeichen in die Rinde den Satz „Wenn du dich diesem Orte nahest, so wird es dir ergehen, wie du mir getan hast.“ Von da an wird diese Buche von den Dorfbewohnern „die Judenbuche“ genannt. Achtundzwanzig Jahre später, am Heiligen Abend des Jahres 1788, kehrt ein Mann in das Dorf zurück, der sich als Johannes Niemand ausgibt. Margreth Mergel, die seit der Flucht ihres Sohnes in „völliger Geistesdumpfheit“ dahinvegetierte, und ihr Bruder Simon sind zu diesem Zeitpunkt bereits verarmt gestorben. Der Zurückgekehrte kann beim Gutsherrn des Dorfes unterkommen und verbringt seine alten Tage mit Botengängen und dem Schnitzen von Holzlöffeln. Neun Monate später kehrt er eines Tages nicht mehr aus dem Brederwald zurück. Als man die Suche nach ihm schon eingestellt hat, findet der junge Brandis, Sohn des erschlagenen Oberförsters, den Vermissten erhängt in der Judenbuche. Der Gutsherr untersucht die Leiche und entdeckt eine alte Halsnarbe, die den Toten als Friedrich Mergel identifiziert. Ohne geistlichen Beistand wird er auf dem Schindanger verscharrt.
Die Teilnehmer des Literaturgesprächskreises treffen sich ca. alle sechs bis sieben Wochen, um sich über das gelesene Werk auszutauschen, die Vorschläge stammen aus dem Kreis der Teilnehmer. Jeder, der für Literatur aufgeschlossen ist, ist als Bereicherung stets willkommen.
Von Jürgen Schühler